Frisuren für Männer
- berlinagnieszka
- 6. Juli
- 2 Min. Lesezeit

"ACCONCIATURE PER UOMO" – Frisuren für Männer. Das Schild hängt über einem kleinen Laden, irgendwo im Cilento. Ich bleibe kurz stehen. Und frage mich, wann ich das letzte Mal nicht „Barbershop“ gelesen habe. Oder „Hairstyle“. Und sofort geht mein Blick zurück. In meine Jugend. In eine Zeit, in der Italien zwar geografisch weit entfernt war – und doch schon immer ein Teil meines Lebens.
Wir lebten in Deutschland, aber sobald es ging, fuhren wir nach Italien. In der Küche standen Kochbücher wie "Cucinare con le erbe", im Wohnzimmer liefen italienische Schallplatten. Und ich – als Dreizehnjährige in einer rosa Hose und einer flauschigen Mohairjacke – war im verschneiten Neustadt ein bunter Tupfer zwischen all den Jeans und dunklen Pullovern. Damals begann sie, meine Verbindung zu Italien. Eine Verbindung, die geblieben ist. Auch wenn sich Italien – wie wir alle – verändert hat.
Vertrautes, das verschwindet
Vor Kurzem war ich in einem Vorstadtviertel Roms, um mir Straßenkunst zum Kampf der Partisanen gegen den Faschismus im Zweiten Weltkrieg anzuschauen. Und plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr wie in Italien. Die gleichen hippen Lokale wie in Berlin, "Asian Fusion"-Küche, Coworking Spaces mit WiFi – und natürlich: ein Barbershop. Wären da nicht die italienisch sprechenden Bewohner gewesen – ich hätte in Berlin sein können.
Und doch gibt es sie noch, die Orte, an denen das Italien meiner Erinnerung lebendig ist. Orte, die mir zeigen, warum ich einst hierhergezogen bin.
Im Cilento, unterhalb von Salerno

Hier, in Süditalien, ist das Leben ein anderes. Die Schriftzüge an den Geschäften heißen noch "Abbigliamento per donna". In der Bar San Matteo läuft nicht nur das übliche Stunk-Stunk der Popmusik, sondern auch Pino Daniele, dieser großartige neapolitanische Musiker, den ich in meiner Serie zur italienischen Musik vorgestellt habe.
Die Autos? Kein SUV weit und breit. Dafür klapprige Pandas in verblasstem Grün. Und die Menschen? Sie sprechen mit mir, als würden wir uns schon ewig kennen. In wenigen Minuten entsteht Vertrautheit. Man erzählt einander vom Leben, vom Alltag, von den kleinen Sorgen und großen Träumen. Diese Nähe, diese Offenheit – das ist das Italien, das ich liebe.
Natürlich ist Süditalien nicht nur Zitronenbäume und Herzlichkeit. Es gibt sie, die Schattenseiten: Müllberge am Straßenrand, Bauruinen, Korruption. Die Präsenz der Mafia ist nicht nur ein dunkler Mythos, sondern eine spürbare Realität. Und doch: Genau diese Gegensätze machen das Land so besonders. Die Schönheit, die Herzlichkeit – aber eben auch die Brüche.
Italien, wie es ist – nicht wie im Prospekt

Wenn ich mit meinen Gästen unterwegs bin, dann zeige ich nicht nur das Postkarten-Italien. Ich lade ein, tiefer zu schauen. Hinzusehen, zu fragen, zu verstehen. Nicht als Kritik, sondern als Einladung, sich auf das Ganze einzulassen. Auf ein Italien, das reich ist an Geschichte, Kultur, Emotion – und das manchmal auch unbequem ist.
Diese Art zu reisen – aufmerksam, ehrlich, neugierig – möchte ich weitergeben. Auch auf meiner nächsten Reise nach Palermo werden wir darüber sprechen: über das Licht und den Schatten. Über das, was bleibt – und das, was sich verändert.
Denn genau das ist es, was ich mit meinen Gästen teilen möchte.
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