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Abschied von einem Vertrauten – Meine persönliche Beziehung zum Papst

Papst Franziskus lachend
Papst Franziskus lachend

In der vergangenen Woche ist Papst Franziskus verstorben. Ein Moment, der mich tief berührt hat – viel mehr, als ich es selbst erwartet hätte. Denn meine bisherige Beziehung zum Papst – und damit meine ich jeden Papst, der in meiner Zeit als Gästeführerin im Vatikan amtierte – war zwar immer respektvoll, aber zugleich auch sehr kritisch.


Der Vatikan als mein Arbeitsplatz

Abschied von Papst Franziskus, Menschenmenge am Petersplatz
Abschied von Papst Franziskus, Menschenmenge am Petersplatz

Der Vatikan ist für mich nicht nur ein herausragendes Symbol der Geschichte und des Glaubens. Er ist auch ein Teil meines beruflichen Alltags. Als Gästeführerin des Vatikanstaates begleite ich regelmäßig Besucher durch die vatikanischen Museen, über den Petersplatz und zu Generalaudienzen.


Ob bei Sonderführungen – wie anlässlich eines 50. Geburtstags, wenn ich mit einer kleinen Gruppe abends die Museen fast für uns alleine haben werde – oder bei täglichen Rundgängen: Der Vatikan ist ein Ort, der mir vertraut ist. Seine Gänge, seine Plätze, seine besondere Atmosphäre sind ein Teil meiner Arbeit – und meines Lebens in Rom.


Und wer oft dort ist, spürt unweigerlich die Handschrift dessen, der ihn leitet.


Drei Päpste – Drei Erfahrungen


Ich durfte bisher drei Päpste in Rom erleben: Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus. Alle drei habe ich bei Generalaudienzen und Veranstaltungen aus nächster Nähe gesehen – oft war nur ein Meter zwischen uns.


Jeder dieser Begegnungen hatte eine eigene Qualität. Johannes Paul II. – ein Mann, der die große Bühne liebte und die Seele der Kirche war. Benedikt XVI. hingegen wirkte wie ihr Kopf – ein gelehrter Theologe, nach innen gewandt und unnahbar.


"Papst Franziskus auf dem Weg", Murales von Cristina Donati Mayer
"Papst Franziskus auf dem Weg", Murales von Cristina Donati Mayer

Und dann Franziskus: ein Papst, der auf die Menschen zuging. Der nicht nur winkte oder segnete, sondern wirklich in Beziehung trat. Der Blickkontakt suchte, der zuhörte, der die Menge nicht als anonyme Masse betrachtete, sondern als Gemeinschaft.


Wenn Franziskus sprach, sprach er nicht nur über dogmatische oder politische Themen. Er sprach über Menschlichkeit, über Schwächen, über Hoffnung. Er war einer von uns – und doch in seiner Rolle einzigartig.


Nähe, die bleibt


Vielleicht ist es diese gelebte Nähe, die den Verlust für mich so spürbar macht.

L'ultimo rivoluzionario, Zeitung Domani, 22.04.25
L'ultimo rivoluzionario, Zeitung Domani, 22.04.25

Franziskus war ein Papst, der es geschafft hat, Brücken zu schlagen – zwischen Hierarchie und Menschlichkeit, zwischen Dogma und Alltag.


Dass ich ihn immer wieder so unmittelbar erleben durfte, macht den Vatikan für mich nicht nur zu einem Arbeitsort, sondern zu einem Raum lebendiger Erfahrungen.


Und wenn wir in den nächsten Tagen in die vatikanischen Museen gehen, wird etwas fehlen: Auch wenn wir die Kunstwerke bewundern, auch wenn wir die besondere Stille einer Sonderöffnung genießen – die Vorbereitungen für das Konklave erinnern daran, dass eine Ära zu Ende gegangen ist.


Ein persönlicher Abschied


Für mich bleibt die Erinnerung an einen Papst, der den Menschen nahe war. Ein Papst, der für Gerechtigkeit gekämpft hat, für die Opfer von Krieg und Armut, gegen autokratische Regime, Ausbeutung und Klimazerstörung. Seine Vision war Liebe, Mitgefühl und Solidarität. Mir war oft danach, ihm dafür einfach Danke zu sagen.


Und so verabschiede ich mich nicht nur von einem Pontifex. Sondern von einem Vertrauten, der ein Stück meines Alltags in Rom geprägt hat.

 
 
 

1 Comment


Claudia Hinze
Claudia Hinze
vor 2 Tagen

Liebe Agnieszka,

deine Worte haben mich still werden lassen. Man spürt, dass mit Franziskus nicht nur ein Kirchenoberhaupt gegangen ist, sondern ein Mensch, der Nähe lebte und Hoffnung schenkte. Vielleicht ist es das größte Vermächtnis eines Menschen, wenn sein Dasein über das Sichtbare hinaus Wirkung hinterlässt. In deinem Text klingt diese stille Größe nach – und macht den Abschied zu mehr als einem Moment. Danke 🙏

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