Die italienische Tradition des Aperitifs im Wandel der Zeit
- berlinagnieszka
- 30. März
- 2 Min. Lesezeit

Am späten Nachmittag, wenn der Arbeitstag endet, trifft man sich in Bars oder auf Terrassen, um in geselliger Runde den Tag ausklingen zu lassen. Dazu gehören nicht nur ein Glas Wermut, ein Bitter oder ein trockener Wein, sondern auch kleine Häppchen, die den Appetit anregen und auf das Abendessen einstimmen. Ein Moment der Entspannung, des Genusses und des Miteinanders – typisch italienisch eben.
Doch wie hat sich diese Tradition entwickelt?
Vom Heilmittel zum gesellschaftlichen Ritual
Der Begriff „Aperitivo“ stammt vom lateinischen „aperire“, was „öffnen“ bedeutet. Ursprünglich war der Aperitif tatsächlich ein medizinisches Elixier, das den Appetit anregen und die Verdauung fördern sollte. Schon im Mittelalter stellten Mönche bittere Kräuterliköre her, die mit Honig gesüßt wurden. Diese Kräuteraufgüsse wurden im Laufe der Renaissance verfeinert, und mit dem Aufkommen des Zuckerrohrs entstand der erste echte Aperitif: der Rosolio.
Rosolio – Der vergessene Aperitif der Könige

Rosolio war im 18. Jahrhundert der bevorzugte Aperitif des Königs von Savoyen und wurde bei festlichen Anlässen am Hof serviert. Doch fast gleichzeitig besiegelte der König selbst sein Ende, indem er begann, den neu erfundenen Wermut zu unterstützen, der in Turin aufkam. Der Apotheker Antonio Benedetto Carpano kreierte 1786 den ersten aromatisierten Wein, indem er Muskateller mit Gewürzen, Zucker und Aquavit verfeinerte. Schnell produzierten auch heute noch bekannte Marken wie Cinzano und Martini & Rossi ihre eigenen Versionen.
Dank seines Aromas wurde der Wermut schnell zum Lieblingsgetränk vieler Italiener vor dem Essen.
Der Aperitivo wird zum Lebensgefühl
Im 19. Jahrhundert wurde der Aperitivo endgültig zum festen Bestandteil der italienischen Kultur. Während Rosolio und Wermut bereits lange Zeit als bittere, kräuterbasierte Aperitifs existierten, verbreitete sich die Gewohnheit, vor dem Essen einen Aperitif zu trinken, immer mehr – und zwar quer durch alle Gesellschaftsschichten. Es war nicht mehr nur ein Hofritual oder eine Angewohnheit der Oberschicht, sondern ein geselliges Alltagsritual, das in den Bars und Cafés Italiens aufblühte. Campari, der 1860 entstand, wurde schnell zum Symbol des italienischen Aperitivo.
Auch Cocktails wurden immer beliebter. In Florenz erfand man 1919 den Negroni, eine Mischung aus Gin, Wermut und Mailänder Bitter. Und mit der Ära des „Dolce Vita“ wurde der Aperitivo zum gesellschaftlichen Ritual – ein Moment des Genusses, der Eleganz und des Zusammenseins.
Was trinkt man heute?

Heute ist der Aperitivo in ganz Italien präsent, doch die Auswahl hat sich verändert. Süße Cocktails wie der Spritz haben in den letzten Jahrzehnten an Beliebtheit gewonnen. Doch mein Onkel Oliviero hat mir beigebracht, dass solch süße Drinks nicht zu einer guten Pasta passen.
Ich kann ihm nur zustimmen. Wenn Sie einen echten Aperitivo genießen möchten, bleiben Sie bei den Klassikern: Ein Glas Wermut, ein Campari Soda oder ein trockener Wein – perfekt, um sich auf eine köstliche italienische Mahlzeit einzustimmen.
Commenti